Ethikberatung beschreibt als ein ungeschützter Begriff verschiedene Formen und Möglichkeiten, wie ethische Anliegen und Themen im Gesundheitswesen bearbeitet werden. Insbesondere drei verschiedene Aufgaben charakterisieren Ethikberatung: Das Erstellen von ethischen Leitlinien, Fort- und Weiterbildungen für Mitarbeitende und Interessierte und die ethische Einzelfallberatung. Ethikberatung ist für uns ein guter Ort, an dem Reflexion erfolgen kann. „Reflexion“ bedeutet bildungssprachlich: „das Nachdenken; Überlegung, Betrachtung, die jemand an etwas knüpft“. Warum braucht es in einem Krankenhaus gute Orte der Reflexion? Zum einen sind die Wahrnehmung von und der Umgang mit Krankheit sehr individuell, ein höchstpersönliches Thema, an dem der Betroffene selbst und häufig auch das private Umfeld beteiligt sind. Die Behandlung in einem Krankenhaus dagegen erfolgt multiprofessionell, also durch verschiedene Personen aus verschiedenen Fachdisziplinen. Deshalb ist es notwendig verschiedene Betrachtungsweisen zusammenzuführen und emphatisch zu ergründen: Wie ist die Situation des Patienten? Was möchte der Patient? Was tut ihm gut? Aus der Sicht des Behandlungsteams: Was können wir für ihn tun? Ethische Herausforderungen, Konflikte und Probleme begründen sich im gegenwärtigen Krankenhausalltag beispielsweise durch die steigende Lebenserwartung von Menschen in westlichen Gesellschaften und einer damit einhergehenden Zunahme von komplexen multimorbiden Versorgungssituationen: Hieraus resultieren Dilemmata, wenn der Wille eines Betroffenen nicht bekannt ist oder Therapieziele festgelegt werden müssen. Ethikberatung verfolgt vor diesem Hintergrund das Ziel im Falle eines Konfliktes oder einer unklaren Situation unter Abwägung von ethischen Kriterien zu einer guten Lösung zu kommen.
Die Praxis und Aufgaben von Ethikberatung im Krankenhaus
Ethikberatung ist ein Instrument für Mitarbeitende in Krankenhäuser, um ethische Konflikte und Probleme zu bearbeiten und bestenfalls entsprechende Lösungen zu finden. Die Aufgaben von Ethikberatung variieren und hängen eng mit der jeweiligen Einrichtung zusammen: Wie wird Ethikberatung organisiert? Existiert zum Beispiel ein Ethikkomitee? Unabhängig der Organisation von Ethikberatung existieren drei Aufgabenfelder, die Ethikberatungen charakterisieren:
1. Aufgabenfeld: Aus- Fort- und Weiterbildungen
Aus-, Fort,- und Weiterbildungen sind Formate, die über Themen der Medizin- und Pflegeethik informieren und als Angebote mögliche Informationsbedarfe zur Ethik im Krankenhaus abdecken können. Bildungsformate tragen zu einer Öffentlichkeitsarbeit in einer Einrichtung intern sowie ggf. auch extern bei und können Mitarbeiter in ethischen Aspekten in ihrer Arbeit sensibilisieren.
2. Aufgabenfeld: Die ethische Fallbesprechung
Die Ethische Fallbesprechung ist eine fallbezogene Beratung, die entlang ethisch relevanter Gesichtspunkte ausgerichtet ist und einer festen Struktur folgt. Ethische Fallberatungen können unterschiedlich strukturiert sein, sodass unterschiedliche Modelle existieren, wie eine ethische Fallbesprechung konzipiert wird: Das „Expertenmodell“ sieht vor, dass ein Fall/eine Fragestellung von einem Experten bearbeitet wird, der ein Votum einholt und ähnlich wie ein ärztlicher Konsiliarius zur Verfügung steht. Der „Button-up-Ansatz“, auch als Prozessmodell verstanden, versteht Ethiker als Vermittler, der mit den Teilnehmenden über einen strukturierten Austausch zu einem ethischen Urteil gelangt und die Expertise der Beteiligten erfasst, um abschließend einen Konsens zu erreichen. Der Ethiker tritt hierbei als Moderator in Erscheinung und strukturiert das Gespräch, in dem er einem roten Faden folgt und Fragetechniken anwendet. Ethische Fallbesprechungen können auch durch ihre zeitliche Dimension unterschieden werden. In der „prospektiven Fallberatung“ wird eine in der Zukunft liegende Situation in der Ethikberatung reflektiert. Häufig geht es um patientenbezogene Entscheidungen und der Frage „Wie kann es weitergehen?“. In jener Form wird versucht das weitere Vorgehen in einer bestimmten Situation zu eruieren, womit die ethische Fallbesprechung dazu beitragen kann die Entscheidungsfindung der Beteiligten zu verbessern. In der „retrospektiven Fallberatung“ werden Fälle ethisch reflektiert, die Personen in der Vergangenheit als problematisch erfahren haben. Formen und Modelle von Ethikfallberatungen variieren. Für alle Varianten beinhaltet eine Ethikfallberatung neben der eigentlich Fallberatung auch die Koordination des Treffens und die Protokollierung der Ergebnisse, womit organisatorische Aspekte und nachbereitende Aufgaben anfallen
3. Aufgabenfeld: Entwicklung von Leitlinien
Ethische Leitlinien sind als Handlungsempfehlungen für moralische und wertebezogene Aspekte in der Patientenversorgung zu verstehen und sollen Praktikern Orientierungsmöglichkeiten bereitstellen. Rechtliche Grauzonen sind typische Beispiele in denen Leitlinien helfen können, Antworten auf drängende oder auch wiederkehrende Fragen zu geben. Fragen des rechtlich Zulässigen können ein weiterer Anlass für eine ethische Leitlinie für ein Krankenhaus sein. Beispielhaft kann das Leitbild eines Krankenhauses oder auch die moralische Orientierung des konfessionelles Trägers Anlass dafür sein, eine Leitlinie zu verfassen. Zentrale Aufgabe einer Leitlinie ist es, für wiederkehrende Konfliktsituationen Handlungsempfehlungen für die Praxis zu formulieren. Damit tragen Ethikleitlinien eine Gültigkeit innerhalb einer Einrichtung und beanspruchen eine Verbindlichkeit, sodass Praktiker diese in inhaltlichen Entscheidungssituationen als Empfehlung zu Rate ziehen können. Ethische Leitlinien sollen daher weniger eine Entscheidung vorgeben, sondern vielmehr qualitative Aspekte in einem Entscheidungsprozess hervorheben. Sie informieren zu einem Sachverhalt, in dem die ethischen und juristischen Aspekte hervorgehoben werden. Um eine Gültigkeit zu vermitteln ist es notwendig, einen Entscheidungsbereich zu definieren. Häufige Themen von Ethikleitlinien sind z. B. der Umgang mit Patientenverfügungen, Umgang mit Zeugen Jehovas oder auch die Regeln zum Verzicht auf eine Reanimation. Angesichts der verschiedenen Aufgaben von Ethikberatung werden dafür notwendige Kompetenzen notwendig. Wie können Mitarbeitende für jene Aufgaben qualifiziert werden?